OLANDA

Viennale

“60 days of waking up at 3am.” Such is the summer for many people in the Carpathian region of Romania. They are gatherers, and when the season comes, they swarm the forests to look for mushrooms and berries. For people who are better off, foraging has become something like a desirable activity – an epitome of slow food. But for the protagonists of Bernd Schoch’s documentary, many of them members of the local Roma minorities, the hunt for first rate boletus is their way to make a living: an ancient way of doing so, according to the woman in voiceover. OLANDA is not just about “commerce”, even if this is certainly a key point of interest. It is also a case study about modernization, albeit more indirectly: we understand that the gatherers follow in the footsteps of their ancestors who used to do exactly the same. But nowadays the trade has become more institutionalized: there are fees and fines, there is even a market as far away as Germany (which sends old sneakers and trucks in return), there is policing and competition from tourists. It’s no coincidence that the last word in Olanda is “nature” – nature gives, yet commerce takes. Olanda is a grand film about civilization as such. (Bert Rebhandl)

Arte Dokumentarfilmpreis /Begründung der Jury:

Es beginnt in der Dunkelheit. Ein abstraktes, organisch anmutendes Bild geht über in einen Sternenhimmel. Schemenhaft und von kargem Licht erleuchtet sehen wir Menschen. Sie wachen auf, ein Morgengebet wird gesprochen. Mit den Arbeitern bricht der Film auf in den Wald, begibt sich mit ihnen auf die Suche. Ruhig, behutsam entfaltet sich die Erzählung.
In den nächsten zweieinhalb Stunden begleiten wir Pilzsammler in den steilen Berghängen der rumänischen Karpaten. Lange Beobachtungen von Arbeit und Alltag machen Zeit, Entfernungen, Kälte und Anstrengung erfahrbar. Pilze sammeln ist hier wirtschaftliche Notwendigkeit. Jeden Sommer kommen Menschen hierher, bauen ein improvisiertes Zeltlager auf. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie während der dreimonatigen Pilzsaison. Oder auch nicht. Über den Erfolg bestimmt die Natur, über das Verdienst der Markt. Der Film macht die ökonomischen Verflechtungen dieser Parallelwirtschaft sichtbar, die in dem Bild des Myzels ihre Entsprechung finden: Sammler, Zwischenhändler, Arbeiter, die die Pilze für die Kunden in Westeuropa säubern. Gezeigt wird die Härte dieses kapitalistischen Kreislaufs, aber auch wie Gemeinschaften entstehen, manchmal konfliktgeladen, oft solidarisch.
Bernd Schoch beobachtet geduldig und präzise die Realität dieser Welt, und findet gleichzeitig magische, wirklichkeitsentrückte Bilder für Menschen wie Landschaften. Durch seine Bildsprache, die Sensibilität und den Respekt, mit denen er seinen Protagonisten begegnet, gelingt ihm ein kinematographisch herausragendes Werk.
9. November 2O19, die Jury: Esther Buss, Christian Popp, Serpil Turhan

Review by Florian Weigl

Incredibly charming if a 160min hang out sesh with Romanian mushroom collectors who bitch about economic repression, each other and life in general is your kind of thing. The film captures the rituals of the place and how even the shared values which allow for this type of comradery begin to crumble. The church remains a gorgeous, wooden building in a world which mostly makes due with what it has (all the cars are long past their primes and their baskets are made out of laundry bins), but religion is no longer lingua franca. Likewise, the forest the collectors helped plant and now take care of, is slowly being deforested. The camera also has an eye for details which begin to build up an accumulative, symbolic power: Flashlights dueling with the organic light of the campfire and the moon, a truck far, far in the distance transporting another load of logs, a worker wearing a hat which literally reads “You are officially owned”. (It also has a ton of great involuntary animal performances with one shot even rivalling last year’s office llama in Zama: It opens on one idyllic vista with the fog rolling over the valley and the profile of a donkey on the right side of the frame - only for the donkey to turn around, look directly in the camera and scream its heart out.)

And then there’s the part in which it tries to be “experimental” by using poetic voice-over and after two hours in (!!) goes into a drone-driven montage-mode in which it also drops its title card as if it were Blissfully Yours or sth. Annoying, but mostly forgettable to how charming the rest of it plays.

Letterboxd

OLANDA VON BERND SCHOCH
Auf dem TV-Bild­schirm, erklärte Regis­seur Bernd Schoch, würde sein Film nicht funk­tio­nie­ren. Tatsäch­lich braucht es schon die große Lein­wand, das Kino als Ort, an dem auch hier wieder Film­kunst möglich wird. Und die muss, wie „Olanda“ neben zahl­rei­chen weite­ren Doku­men­ta­tio­nen auf dieser Berli­nale belegte, nicht unbe­dingt fiktio­nal sein. Schochs streng doku­men­ta­ri­sche, aber in kunst­voll-ruhi­ger Kame­ra­ar­beit einge­fan­gene Erzäh­lung über Pilz­samm­ler in den rumä­ni­schen Karpa­ten entfal­tet sich sehr gemäch­lich im Kino­dun­kel – gut zwei­ein­halb Stun­den nimmt sich dieser Film Zeit, sein Sujet, also die Pilze, und seine mensch­li­chen Prot­ago­nis­ten, deren Samm­le­rin­nen und Samm­ler, zu beglei­ten.

„Show, don’t tell“ scheint oberste Prämisse: Während nichts erklärt und kein Rück­blick gewährt wird, kraxelt auch der Zuschauer orien­tie­rungs­los durchs satt­grüne Dickicht und verweilt zwischen­durch auf regne­ri­schen Zelt­plät­zen im rumä­ni­schen Niemands­land, wo die stets unkom­men­tiert einge­fan­ge­nen Pilz­samm­ler bald zu lieb­ge­won­ne­nen Lotsen in der vollen Gegen­wart werden.

SCHIRNMAG

This needs to be championed as a magnificent ethnographic film with a slight, but utterly pleasant spiritual/psychedelic vibe. You really don't expect that incredible montage sequence to happen, and when it does, you just sit there with your mouth open.
GoSpeedGo

Letterboxd

dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe

Eine faserige Struktur, ein Sternenhimmel, eine Gruppe von Menschen an einem schwach beleuchteten Zeltlager in tiefschwarzer Nacht: Mit Bildern, die schwer fassbar sind, rätselhaft und auf etwas Größeres verweisen, beginnt dieser Film und nimmt uns mit: in die Pilze. Zweieinhalb Stunden begleitet Bernd Schochs "Olanda" Saisonarbeiter – Frauen, Männer, Kinder – in den steilen Hängen der rumänischen Karpaten beim Sammeln von Pilzen und Blaubeeren. Die Arbeit ist hart und der Film zeigt diese Härte. Er zeigt auch Momente von Solidarität, familiärer Gemeinschaft und Selbstbestimmung. Vieles zeigt er auch nicht. Dennoch ist alles da, im Myzel des Films: der ökonomische Kreislauf, die Armut, die Asymmetrie in der Verwertungskette.
So wie Pilz und Baum Allianzen bilden, so sind auch Inhalt und Form von Schochs Film untrennbar miteinander verbunden. "Olanda" macht sich die rhizomatische Struktur des Pilzes zu eigen, spannt unsichtbare Verbindungen zwischen Mikrostruktur und gesellschaftlichen Zusammenhang, verliert Fäden, nimmt andere auf, befreit sich für kurze Zeit sogar mit einem halluzinogenem Bildertrip.
Der dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe geht an "Olanda" von Bernd Schoch: Für seinen filmischen Wagemut, seinen Respekt und seine Sensibilität gegenüber den Protagonisten.
Die Jurybegründungen (Jide Tom Akinleminu, Esther Buss, Rilo Chmielorz)

Dokka Festival

Ein Film geht in die Pilze. Zweieinhalb Stunden begleitet Bernd Schoch eine Saison lang Frauen, Kinder und Männer, die in den steilen Hängen der rumänischen Karpaten Steinpilze, Pfifferlinge und Blaubeeren sammeln. Man sieht sie mit Kiepen und Schulranzen bei ihren beschwerlichen Gängen durch den Wald oder wie sie, allein von den schmalen Lichtkegeln der Stirnlampen erhellt, unter Plastikplanen auf die Morgendämmerung warten. Man spürt die Kälte, die Nässe – und die Zeit. Erwartungen an einen rhizomatischen Film über die Kreisläufe der Nahrungsmittelproduktion werden enttäuscht - die Betrachterin wird auf ihre eigene Verwertungslogik zurückgeworfen. "Olanda" (Forum) verpflichtet sich mit unbedingter Konsequenz den arbeitenden Menschen in diesem ersten "Akt" der Verwertungskette. Am Ende des Films ziehen sie weiter: zur Ernte nach Spanien oder Holland.
Esther Buss

Spiegel

KURZE ECKE

Bernd Schoch erforschte mit „Kurze Ecke“ den Mikrokosmos einer Kneipe. Knobelbrüder, Tresen-Schnacker, Hamburger Seele. Wunderbar.
Kai Uwe Brinkmann, RuhrNachrichten.de

Ein Tag in der Kneipe – das Konzept leuchtet sofort ein. Und der Filmemacher hat sich auch das richtige Lokal dafür ausgesucht: In der „Kurzen Ecke“ trinken Arbeiter, Seeleute und Rentner ihre Biere. Das Durchschnittsalter ist deutlich über 50 und die Wirtin zeigt auf den Fotos an der Wand die vielen inzwischen verstorbenen oder im Heim gelandeten Stammgäste.
Es wird viel getrunken, geraucht und geredet. Man spielt Karten, knobelt und später gibt es dann mit dem Wahlergebnis willkommenen Gesprächsstoff. Die Filmemacher schauen bei dieser in schönstem Schwarzweiß fotografierten Momentaufnahme so genau hin, als würden sie einen ethnografischen Film über eine fremde, langsam untergehende Kultur machen.
Wilfried Hippen, TAZ

Filme vom Grunde eine Bierglases, Zlatan Alihodzic, Der Westen

"...Schoch hat Zeit mitgebracht, und die nehmen sich auch die Gäste von Wirtin Helga. Lebensgeschichten werden kurz gestreift, zum Beispiel die von der 92-jährigen Else, die bis zuletzt kam und Schnäpse trank. Else kommt nicht mehr, das war es. Andere kommen, erzählen von der Seefahrt, vom Schlaganfall, knobeln um Waschmittel und Fisch. Die Wurst, lautet eine der tiefen Wahrheiten, die man erfährt, ist heute nicht mehr so gut wie früher. Draußen ist Bundestagswahl, das sorgt drinnen für kaum mehr als ein paar brummige Laute. Schoch hat hier ein Paradies entdeckt, in dem allerdings der Herbst ausgebrochen ist..."

September 2013, vormittags bis zum Abend. Eine Eckkneipe in Hamburg nahe Großneumarkt: »Kurze Ecke« heißt das Lokal und der Film von Bernd Schoch. Einfache Leute, wie man sagt, als wären die weniger komplex. Man riecht den Rauch, hört norddeutschen Tonfall. Karten- und Würfelspiele, blinkende Spielautomaten, Theken-Talk, Wimpel und Trophäen an der Wand. Das geht nur in Schwarzweiß – eine Geschichte wie von Wolfgang Kohlhase erdacht oder von Käutner inszeniert in einem poetisch erhärteten Realismus. Große Freiheit, Nummer egal. Das waren noch Zeiten. Die Kamera schaut zu. Zwischendrin werden Wirtin Helga, die in Fotoalben blättert, und ihre Gäste befragt. Wären wir in New York, käme Harvey Keitel vorbei. Hans Albers und Manfred Krug sind ganz nah. Unbehauene Gesichter wie vor 50 Jahren. So oder so ist das Leben. Dass es der Tag der Bundestagswahl ist, erfährt man so nebenbei – der Fernseher läuft, die Berichterstattung wird kommentiert. Aber der Termin ist ein Statement. Sind es doch politische Entscheidungen, die soziale Werte definieren, Entwicklungen lancieren, Milieus verändern. Was vom Tage übrig bleibt: Klarer Sieg für Merkel. »Kommt gut nach Hause, schönen Abend.«
Andreas Wilink, K.WEST

Hingewiesen sei deshalb an dieser Stelle auf die NoBudget-Doku Kurze Ecke, mit der Bernd Schoch der sterbenden Hamburger Eckkneipen-Kultur ein melancholisches, schwarzweißes Denkmal setzt.
Oliver Kaever, Zeit online

Mark Stöhr,Filmfest Hamburg Blog

Aber das Wort Hund bellt ja nicht

Ein filmmusikalisches Unikat
Aber das Wort Hund bellt ja nicht heißt Bernd Schochs 48-Minüter: ein ebenso kluger wie mitreißender Musikfilm, der seinen Protagonisten hochkonzentriert bei der Arbeit zusieht.“
Isabella Reicher, Der Standard

Der Film schafft es eine Grenze zu berühren, die andere Konzertmitschnitte in ihren zahlreichen und beliebigen Zusammenstellungen multipler Kameraeinstellungen nicht mal andeuten können; nämlich die Grenze zwischen dem Bild, das zeigt und der Musik, die zu Hören ist.
Daniel Neumann

Der Film seziert ein Ereignis und setzt es im Kino wieder zusammen. Er verengt den Raum, dehnt die Zeit,und ermöglicht dadurch eine intensive Kino-Erfahrung mit dem Free Jazz des Schlippenbach-Trios. Und plötzlich wird das Unsichtbare hörbar und das Fragment gleichbedeutend mit dem Ganzen. Dieser Film ist mehr als ein Musikerportrait. Es ist auch ein Film, der auf radikale Weise von der Übersetzung, der Neuerfindung von Wirklichkeit im Dokumentarfilm handelt.
Michael Girke, Hannah Pilarczyk, Nele Wohlatz - Artepreis Jury

Bernd Schoch hat einen ungewöhnlichen und eindrucksvollen Jazz-Fim gedreht, der zwar aus dokumentarischen Aufnahmen besteht, aber weit über den Dokumentationsaspekt hinaus eine ganz eigene künstlerische Dynamik entwickelt.
Andreas Jüttner, BNN

Der wildwuchernden Musik hat er eine äußerst strenge filmische Komposition gegenübergestellt. Eigentlich gibt es in »Aber das Wort Hund bellt ja nicht« wenig zu sehen und noch weniger wird ›erzählt‹, aber gerade dadurch schafft es Schoch, einen wundersam intimen und dabei sehr präzisen Einblick in diese Musik, diese künstlerische Haltung zu gewähren. Die Behauptung sei gewagt: Noch nie gab es so ein eindringliches filmischer Porträt der freien Improvisation. Und wer genau hinhört, der erfährt auch die Antwort auf die Frage, was Free Jazz im Innersten ausmacht.
Felix Klopotek, Stadtrevue Köln

Musik erklärt man bisweilen am besten mit Musik. Worte können helfen, müssen aber nicht. Dasselbe gilt für Bilder. Ein Musikfilm hat immer mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass seine Bilder Gefahr laufen, völlig überflüssig zu sein oder in der einen oder anderen Form von der Musik abzulenken. Wenn die Sache aber gut geht, sieht und hört man hinterher anders.
Bernd Schochs Dokumentation "Aber das Wort Hund bellt ja nicht" ist so ein Glücksfall
Tim Caspar Boehme, TAZ

Aber das Wort Hund bellt ja nicht / Jahreslisten 2012

Eskaliierende Traeume

Dirty Laundry

New Filmkritik

Mr. Boredom`s

Karl Lippegaus

Klug und mitreißend - Filmbesprechung

Der Standart, online

Viennale Bericht von Lukas Foerster

Cargo-Film Blog

Presse/Kritiken zu Aber "das Wort Hund bellt ja nicht"

DUISBURGER FILMWOCHE
Weitermachen ist eine Kunst
ISABELLA REICHER AUS DUISBURG, 14. November 2011 17:14
Die Duisburger Filmwoche, renommiertes Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms, bewegte sich heuer zwischen biografischen Mikrokosmen und globalen Problemzonen

Zugabe: ein filmmusikalisches Unikat.

***
In Großaufnahme fliegen Finger über Tasten, schnell und immer schneller, bis sie kaum noch wahrnehmbar sind. Während das legendäre Alexander-von-Schlippenbach-Trio, bestehend aus dem Namensgeber am Klavier, Paul Lovens (Schlagzeug) und Evan Parker (Saxofon), eine seiner freien Improvisationen auf- und immer furioser ausbaut, bleibt die Kamera ruhig auf jene Schnittstelle von Instrument und Körper gerichtet, an der die Klangerzeugung vonstattengeht.
Aber das Wort Hund bellt ja nicht heißt Bernd Schochs 48-Minüter: ein ebenso kluger wie mitreißender Musikfilm, der seinen Protagonisten hochkonzentriert bei der Arbeit zusieht. Dazwischen lässt er sie in kurzen Off-Statements ein bisschen was erzählen von der "Ente mit Rotkohl und Knödeln", für die man auf der alljährlichen Wintertour immer wieder mal gerne die Autobahn in Richtung Dorfgasthaus verlasse, oder vom Improvisieren, dessen Kunst auch im Weiterspielen bestehe.
Bei der am Sonntag zu Ende gegangenen 35. Duisburger Filmwoche erhielt Schoch (Slide Guitar Ride, 2005) für seinen Film den Arte-Doku-Preis. Im Programm des diesjährigen Festivals des deutschsprachigen Dokumentarfilms markierte Aber das Wort Hund ... außerdem eine relativ solitäre Position: Zwischen (auto-)biografischen Arbeiten und Konfrontationen mit kulturellen Phänomenen oder gewichtigen Welt-Themen bot er das reflektierteste und überzeugendste Zusammenspiel von filmischen Mitteln und (musikalischem) Gegenstand.
...
http://derstandard.at/1319182795064/Duisburger-Filmwoche-Weitermachen-ist-eine-Kunst

Aber das Wort Hund bellt ja nicht von Bernd Schoch
D 2011| Farbe | 48 Min. | Uraufführung
 
Das renommierte Freejazz-Trio unter Anführung von Alexander von Schlippenbach wurde von Bernd Schoch über eine Dauer von vier Jahren, immer während der Winterreise bei ihrem Konzert in Karlsruhe dokumentiert. Die Musik des Pianisten, Saxophonisten und Schlagzeuger ist zumeist eine Improvisation, die, oftmals bekannte Jazz-Themen variierend, zumindest für den ungeübten Hörer schwer nachzuvollziehen ist und sich in ihren eigenen Zusammenhängen nur an bestimmten Punkten erschließt, da sich die Musiker treffen um sogleich wieder in disparater Einzelarbeit auseinanderzugehen. Eine Dokumentation, die diese sich von einander entfernenden und wieder zueinander findenden Bögen zeigen will, muss deswegen zwangsläufig neben der Beziehung von Instrument, Ton und Bild auch einen Weg finden, die Performativität, wie sie sich in diesem Genre nicht zuletzt als Präsenz von Physis und Kraft der Körper ausnimmt, filmisch nachzuvollziehen.
So stellt „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“ den Zuschauer vor ein semiotisches Problem, das schon der Titel selbst andeutet. Denn wie jenes Wort Hund nicht bellt, sondern nur auf den realen, bellenden Hund verweist, klingen nicht die Bilder selbst, sondern nur die Musik, die sie, die Spieler zeigend, vermittelt. Die Dokumentation versucht ebenjene Schnittstelle, an der die Aufnahmen die Musik fühlbar und nachvollziehbar machen, zu konzentrieren, bzw. zu essentialisieren. In drei Segmenten, die jeweils einem unterschiedlichen Konzert entnommen sind, verharrt eine Kamera ohne Schnitt auf jeweils einem der drei Musiker. Mit hoher Brennweite verengt sich der Kader auf ein Detail, eine Hand oder ein Gesichtsausdruck, und lässt den Rest des Bildes in Musik zergehen. Wenn dann etwa der Saxophonist zu sehen ist, lässt die Machart des Films den gewöhnlichen Kausalzusammenhang von einem Spieler, den man Spielen und so die Töne entstehen sieht, hinter sich, indem sie sein Gesicht isoliert, das nur frenetisch an dem Mundstück des Saxophons zerrt, sich aufbläst und schüttelt, während die Musik, die im Off sich vollzieht, immer schneller und wilder wird. Ebenso die Hände des Alexander von Schlippenbach, die, in einem Ausschnitt isoliert, ein Eigenleben gewinnen und so schnell über die Klaviatur huschen, dass sie kaum mehr sichtbar sind.
Der Film schafft es so eine Grenze zu berühren, die andere Konzertmitschnitte in ihren zahlreichen und beliebigen Zusammenstellungen multipler Kameraeinstellungen nicht mal andeuten können; nämlich die Grenze zwischen dem Bild, das zeigt und der Musik, die zu Hören ist. Ein Ton ist die reine Dauer, die sich in der Zeit entfaltet und dynamisch wird, sich so ständig selbst aufhebt und keine Demarkation bildet, die keine Arithmetisierung, oder mathematische Einteilung während des Hörens selbst erlaubt, es sei denn zum Preis ihrer Versteinerung. Eine Struktur in sich, die nicht so mit den Bildern korrespondieren kann, dass beide zusammenfallen, weil die Bilder, die die Erzeugung der Töne zeigen – sei es, indem sie die Instrumente abbilden, sei es, indem sie die Gesichter und Köpfe zeigen, die den Verlauf konzipieren – immer einen Anfang und ein Ende haben, die Zeit nicht musikalisch zusammenziehend, sondern in berechenbare Einheiten zerlegend; denn eben die Kopplung an die Materie, an das Feste, das seine Gestalt zwar verändert aber beharrt, lässt die Bilder immer diesseits der Musik bleiben. Die Intensität des Eindrucks muss deshalb noch immer am höchsten bleiben, wenn man die Augen schließt und die Aufnahmen, die das Geschehen Begleiten, Begründen und in einer ihm fremden Struktur anordnen, ausblendet, um sich ganz von der auditiven, in sich selbst geschlossenen Ebene, einnehmen zu lassen.
(Daniel Neumann)

Wie festgewachsen saß ich am Donnerstagabend in meinem Kinosessel, unfähig mich zu rühren. Grund war der Film „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“ von Bernd Schoch, ein Film über den Free Jazz und das berühmte Schlippenbach Trio.

Paul Lovens fliegende Hände am Schlagzeug, so schnell, dass man sie manchmal nur verschwommen sieht. Schlippenbach, der während eines Pianosolo stumm die Lippen bewegt, während ihm kleine Schweißperlen langsam die Stirn herunterlaufen. Parker am Saxophon. Virtuos spielt er mit geschlossenen Augen ohne innezuhalten, er atmet in sein Instrument, sein Gesicht scheint dabei völlig entspannt. Und schließlich der Klang des Free Jazz: frei, extrem, intensiv. Sei es meine eigene Liebe zur Musik oder der Film selbst, ich war gefesselt.

Ohne Vorankündigung überraschte Regisseur Schoch eines Abends im Jahre 2007 das renommierte Schlippenbach Trio im Karlsruher Jazz Club mit der Bitte, er wolle einen Film über sie machen. Drei Jahre vergingen, jeweils drei Konzerte innerhalb von drei Jahren wurden begleitet. Entstanden ist ein technisch minimalistisch gehaltener, ästhetischer, intensiver Film, der den Zuschauer sowohl zum Zusehen als auch zum Zuhören drängt.

Der Film ist in vier Teile fragmentiert, wobei jeweils auf jeden einzelnen Musiker und letztlich auf das Zusammenspiel der drei zusammen Wert gelegt wird. Schoch verzichtet auf viele Schnitte, bereichert den Film mit kleinen Interviews der einzelnen Musiker, was ihm eine immense Intensität gibt und auch von typischen Bandreportagen unterscheidet. Was hier zählt, das sind die Musiker und ihre Musik.

Nach dem Film wurde diskutiert. Manch einer war der Meinung Bild und Ton könne man hier nicht vereinbaren, ein anderer war völlig euphorisch, er habe sich dem Free Jazz niemals mehr verbunden gefühlt, wieder ein anderer sagte, er habe mit den Augen hören können. Die Meinungen gingen da auseinander, doch der Konsens blieb: Dieser Film sei ein Unikat, das es so wahrscheinlich nicht noch einmal gibt.

(Marie Falke)

http://film.hfg-karlsruhe.de/blog#Aber_das_Wort_Hund_bellt_ja_nicht

07Nov1 Kom.
Spoiler-Alert:
Bernd Schochs
ABER DAS WORT HUND BELLT JA NICHT
hat Premiere in Duisburg
35. Duisburger Filmwoche
10.11.2011
22:30
filmforum Duisburg

Bernd Schoch, künstlerischer Mitarbeiter am Studienschwerpunkt Film der HfBK und Regisseur von SLIDE GUITAR RIDE über das One-man-Brachial-Blues-Faktotum Bob Log III (zu sehen gewesen bei UNERHÖRT! 2009), hat Premiere in Duisburg.

Die Prestige-trächtige Duisburger Filmwoche geht zwischen 7. und 13. November 2011 in ihr 35. Jahr und bringt für das Feld der Dokumentarfilmproduktion aus dem deutschsprachigen Raum mal wieder etablierte Namen (heuer: Farocki, Karmakar, Mikesch, Geyerhalter, Glawogger, Heise, Adolph, Specogna, Hübner/Voss, Imbach, Burger und Beckermann) mit jungen Filmemachern in einem diversen Programm zusammen - ein tolles Festival mit hoher Diskussionskultur (s. auch: www.protokult.de), und das für schlappe
25,- EUR Akkreditierungskosten!

Duisburg stellt traditionell hohe Ansprüche an die formalen Aspekte filmischer Arbeit. Ein Film, der hier gezeigt werden will, darf nicht lediglich Behälter für inhaltliche Recherche sein, zumindest das Bemühen um eine Auseinandersetzung mit seinen spezifischen Produktionsmitteln muss erkennbar sein, denn: Echte Durchdringung welchen Gegenstands auch immer erreicht nur, wer ein Bewusstsein von den Möglichkeiten der genutzten Darstellungstechnik entwickelt und dieses Bewusstsein dann auch im konkreten Werk Ausdruck finden lässt.
Für diese Haltung zum Dokumentarfilm liefert Bernd Schoch mit ABER DAS WORT HUND BELLT JA NICHT ein an Klarheit kaum zu überbietendes Anschauungsobjekt. Wer sich das Vergnügen der eigenen Entdeckung bewahren möchte, hört hier einfach auf zu lesen...

Den Freejazz des Alexander von Schlippenbach-Trios filmen - an der Aufgabe kann man sich schon mal überheben. Schochs Lösungsvorschlag ist ein ebenso schlichtes wie kompromisslos umgesetztes Konzept. Die 48 Minuten seines Films geben vier Stücke zu hören und zu sehen, vier Stücke von vier Auftritten aus vier aufeinanderfolgenden Jahren, live aufgenommen am immergleichen Veranstaltungsort - eine Art Ritual. Jedes Jahr bekommt seine ungeschnittene Einstellung: 2007 rahmt die Hände von Schlagzeuger Paul Lovens; 2008 beobachtet das Saxophonspiel Evan Parkers, vor allem sein im Rhythmus der Zirkularatmung an- und abschwellendes Gesicht; 2009 wandert von den Pianistenhänden Schlippenbachs zu seinem Mund und zurück. Die vierte und jüngste Sequenz verbindet alle drei Musiker in einer langgezogenen Bewegung, die Kamera bleibt auf dieselben musizierenden Körperpartien gerichtet, nur die Reihenfolge der drei Vorjahre wird umgedreht: Klavier. Saxophon. Schlagzeug.

Dann gleitet die Aufmerksamkeit zurück zum Saxophon und plötzlich, mitten im letzten Stück, legen sich das Schwarzweiß und die grobe Zeilentextur alter TV-Bilder mit drei deutlich verjüngten Herren über die fortlaufende Musik. In der Gestik und Zeitökonomie ganz früheres Kultur-Fernsehen - noch stolz auf die Handhabung der Technik und schon verschreckt durch die Fiktion vom ungeduldigen Zuschauer -, wird über die Hände des Drummers auf die Blähbacken des Saxophonisten, schließlich auf die Hände des Pianisten und von dort auf dessen Kopf geschwenkt.
Das Fragment fließt kurz durch den Film, schnell ist man wieder zurück in der Farbe von 2010, im vierten Stück, das im Gegensatz zu seinen drei Vorgängern nicht abrupt verlassen wird, sondern ausklingen darf. Ein letzter Schweißtropfen stürzt durch's Gegenlicht, ein flüchtiges Lächeln am Kinn, dann ein harter Schnitt auch hier, der finale.

Doch dieser Zeitpunkt ist vorerst noch nicht gekommen. Bis dahin breitet sich schleichend Begreifen aus: Mit der Einlegearbeit des Archivmaterials hat man gerade den Grundriss des noch laufenden Films gesehen! Indem Schoch diese 1970er-Bildregie-Blickführung in seinen Film integriert, schafft er nicht nur eine historische, sondern auch eine ästhetische Referenz. Er kritisiert in die Jahre gekommene Abbildungsmuster, allerdings nicht durch wütendes Alles-ganz-anders-Machen, sondern durch Verfahrensverbesserung, durch Feststellen des alten Blicks, durch seine Dehnung in der Zeit, durch Konzentration und Insistieren und Innehalten. So destilliert der neue Film aus der angespielten Vorleistung seinen eigenen formalen Aufbau.
Ein wenig lässt er sich auch hypnotisieren vom Geschehen in seinen engen Ausschnitten, vom Tanz der Formen zu einem Klang, der sein Enstehen den Bewegungen eben dieser Formen zu verdanken hat. Ein wenig könnte einem schwindelig werden im Loop dieser Rückkoppelung zwischen Musik- und Filmmachern. Karussell im Kopf, Ahnung von anderen Zuständen.

Die vier Stücke in ABER DAS WORT HUND BELLT JA NICHT sind durch vier minimalistisch-lyrische Bildpassagen voneinander getrennt. Es fällt Schnee. Grau-weiße Landschaft rauscht vorbei. Krähen schwärmen. (Das letzte Album des Trios von 2006 trägt den Titel "Winterreise".) Eine monochrome Kinderzeichnung wird gegen die Leserichtung abgetastet, diesmal: Saxophonist, Schlagzeuger, Pianist.
Zu drei dieser vier Stimmungen teilen die Musiker jeder für sich mehr oder weniger lose Gedanken zu ihrem gemeinsamen Schaffen mit (Sprechreihenfolge: Parker/ts, Lovens/dr, von Schlippenbach/p). Im Off. Keine talking heads, keine Anekdoten und ganz sicher keine Erklärungen; eher Beschreibungen von Strukturen.
Nach Erklärungsansätzen kann man natürlich im Netz fahnden und dann dort z.B. sowas finden (es geht irgendwie um künstliche Intelligenz...):
"Die Beschreibung hat selbst natürlich ganz andere Eigenschaften als das Beschriebene. Das Wort 'Hund' bellt nicht, der Satz 'Ich falle herunter' fällt nicht. Beschreibung und Beschriebenes befinden sich auf verschiedenen Ebenen."

Wenige Musikfilme haben den Unterschied so gut verstanden wie dieser.

Nach Vorführung und anschließender Diskussion, so gegen Mitternacht, spielt Alexander von Schlippenbach ein Solo-Konzert.

Mehr zu Bernd Schoch: www.berndschoch.de (dort auch ein schöner Trailer zum Film)

Mehr zu Alexander von Schlippenbach: www.avschlippenbach.com

Posted by Ralf on 07.11.2011 at 22:40 Uhr

http://www.unerhoert-filmfest.de/index.php/site/comments/das_wort_hund_schoch_in_duisburg/deutsch/

Klug und mitreißend - Filmbesprechung

Der Standart, online

Viennale Bericht von Lukas Foerster

Cargo-Film Blog

Presse/Kritiken zu "Slide Guitar Ride"

Der Förderpreis der Stadt Duisburg, dotiert mit 5.000 Euro, geht - ex aequo - an:
Slide Guitar Ride
von Bernd Schoch, Deutschland, 2005, 82 Min

...ganz anders wirkt Musik in Bernd Schochs Slide Guitar Ride. Der amerikanische Blues-Gitarrist Bog Log III zelebriert sein Leben als glamouröser Rockstar und Hedonist auf der Low-Budget Ebene. Diese Do-It-Yourself-Attitüde von Rock und Fun spiegelt sich auch in Schochs filmischer Gestaltung wieder. Er variiert auf findige Weise das Format der Musik-Doku mit kleinen Animationseinlagen, witzigen Interviews und gewiften Kamerablicken und überträgt so mühelos die Energie von Rock'n'Roll auf die Bilder im Kino.
5. November 2005, die Jury: Didi Danquart, Birgit Kohler, Wolfram Knorr, Alexandra Seibel,
Brigitte Werneburg, Fritz Wolf
filmzeitung.de, Nov 2005

Bernd Schoch fügte mit "Slide Guitar Ride", der den Extrembluesgitarristen Bob Log III auf eine Reihe von Konzerten begleitet, noch eine weitere gelungene Musik-Doku hinzu: Zwischen furiosen Leg-Riding-Episoden, animierten Sketches und bizarren Interviews fallen irgendwann die wunderbaren Sätze: "God, I know I'm nothing. But I'm having so much fun."
Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2005

Eine eigenwillige Lebensphilosophie, für die Musik zum eigentlichen Medium avanciert, visualisiert hingegen Bernd Schoch in "Slide Guitar Ride". Während der texanische Blues-Gitarrist Bob Log III als One-Man-Band weltweit durch Indepent-Clubs tingelt, sich selbst als bizarren Rock-Star feiert und eine Do-IT-Yourself Attitüde plegt, gelingt es Schoch die Faszination seiner Musik durch furiose Leg-Riding-Einlagen, animierte Sequenzen und kuriose Interviews auf die Bilder zu übertragen. Ein "postmodernes" Verfahren, das bewusst die Produktionsbedingungen im Werk selbst erscheinen lässt; der"No Budget"-Musik ein "Lofi Filming" zur Seite stellt.
Margarette Wach,Filmdienst 25/2005

Eine Animation mit Knetfiguren in einem Film über einen Rocksänger: Wo gibt`s denn so was? - Antwort: In der Dokumentation "Slide Guitar Ride" von Bernd Schoch. Der findige Filmemacher (Jahrgang 1971) porträtiert den texanischen Blues - Gitarristen Bob Log III, der nur in der Rolle eines Helm-tragenden Rockstars öffentlich auftritt. Mit "witzigen und gewieften Kamerablicken" fängt Schoch seinen Protagonisten filmisch ein. Und dazu gehört auch, dass er eine der vielen unglaublichen Storys von Bob Log III mit Knetfiguren nachstellt (es geht dabei um den vergeblichen Versuch, im Stehen schlafende Kühe umzukippen).Schoch wurde jetzt bei der Duisburger Filmwoche mit einer Hälfte des Förderpreises der Stadt Duisburg ausgezeichnet.
Peter Klucken, Rheinische Post 07.11.05

"Slide Guitar Ride" von Bernd Schoch porträtiert in seinem ohne Fördergelder entstandenem Film den US Rocker Bob Log III, der grundsätzlich nur aus einem Motorradhelm heraus singt, auf eine sehr witzige und abwechslungsreiche Weise und trifft mit seinen Bildern den Ton.
epd medien, Nr 89/05

If anyone gets a chance to see the Bob Log III doco "Slide Guitar Ride" that is fucking wicked, but it's very very underground...I saw a DVD projected copy at a small arts cafe type thing, so I'm not sure if they are going to do a proper release of it, but it was one of the best doco's, even if you don't know the music.

Sample quote "I said "I can't go back on stage, my ass is bleeding too badly", and all the girls backstage heard me, and that's why the donnas and the Sahara Hot Nights won't speak to me anymore"
bigstig, gigwise.com forum

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